Arbeitskreis Energie - Energiepolitik für Freiburg und Gutleutmatten

Teuerste Fernwärme Deutschlands – innovativ, zukunftsweisend und staatlich gefördert?

 

Unsere Kritik am Energiekonzept und Wärmesystem / Aktuelle Situation (Stand 11.09.2017)

 

Nachdem wir in der letzten Aktualisierung der Hoffnung Ausdruck gegeben haben mit unseren Bemühen die Stadt Freiburg dabei zu unterstützen, zu ihrer vormaligen Vorreiterrolle in Sachen Energiewende zurückzufinden und nachdem die Stadt Freiburg den Dialog mit den Betroffenen einseitig und unbegründet aufgekündigt hat, ist die Frage, wie geht es weiter. Zumindest was weitere Planungen angeht zeichnet sich bei der Stadt ein Umdenken ab.

Im Vermarktungskonzept für das benachbarte Baugebiet Kronenmühlbach nennt die Stadt Freiburg inzwischen die Gründe warum die Wärmeversorgung im Gutleutmatten so viel teurer ist. 

Das neue Baugebiet „Kronenmühlbach“, wird wie das Viertel Gutleutmatten an das Fernwärmenetz des BHKW in der Staudinger Schule angeschlossen. Dies erfolgt allerdings ohne Anschlusszwang aber mit marktfähigen Preisen. Im Vermarktungskonzept der Stadt Freiburg (DRUCKSACHE G-17/087) wird für 100m² Wohnfläche Heiz-und Warmwasserkosten von 50-55 Euro pro Monat angegeben. Die Vollkostenrechnung legt nahe, dass der Preis eher unter 50 Euro liegt. Dies entspricht übrigens den Preisen von sanierten Gebäuden in der Haslacherstraße, die auch durch das BHKW in der Staudinger Schule versorgt werden. Der entsprechende Preis liegt im Gutleutmatten bei 97 Euro pro 100 m² Wohnfläche. 

Als Grund für den Preisunterschied zum Baugebiet Gutleutmatten gibt die Stadt die größeren Investitionen in die wärmeseitige Infrastruktur, durch die Kombination mit Solarthermie an und nennt auch die geringere Wärmedichte. 

Genau diese Gründe haben die Baugruppen immer angeführt wenn sie die hohen Energiepreise kritisierten. Jetzt nennt die Stadt das Investitionsverhältnis im Kronenmühlbach ausgewogen. 

Die Frage ist, warum wird in einem Baugebiet, in dem die Energiedichte nicht für eine Fernwärmeversorgung spricht, auch noch eine teure, im Fall GLM auch noch überdimensionierte Solaranlage installiert? 

Welcher Bauherr würde in eine solche Anlage investieren, wenn er damit seine Heizkosten verdoppelt? 

Wie die Forderung, dass die Gesamtjahres-Wärmekosten im Rahmen der 10 Prozent Mehrkosten, die für ökologische Varianten gemäß Gemeinderatsbeschluss zulässig sind, erfüllt wird, bleibt auch rätselhaft.  

Bleibt die Begründung der Stadt, in der solarthermischen Wärmeversorgung für Gutleutmatten einen Baustein für städtischen Klimaschutzziele zur Einsparung von Kohlendioxidemissionen zu sehen. Gegenüber einer Fernwärmeversorgung ohne Solaranlagen spart die Solaranlage pro Jahr etwa 800 MWh an Energie oder 42 Tonnen CO2 ein, so die badenova auf ihrer Homepage.

Die Bewohner im Gutleutmatten bezahlen für 100 m² Wohnfläche im Monat beinahe das Doppelte wie die künftigen Bewohner im Kronenmühlbach, die durch dasselbe BHKW ohne Solarthermie versorgt werden. Insgesamt sind das bei 40 000 m² beheizter Nutzfläche 225 600 Euro Mehrkosten im Jahr oder bei einer jährlichen CO2 Ersparnis von 42 Tonnen etwa 5 300 Euro pro Tonne ersparter CO2 Emissionen. Ein absurder Preis, bedenkt man, dass die Tonne CO2 derzeit mit 6 Euro gehandelt wird. Auf diesem Weg wird die Stadt ihre Klimaziele nie erreichen.

Wir freuen uns, dass die künftigen Bewohner im Kronenmühlbach mit marktfähigen Wärmepreisen rechnen können, werden aber in unseren Bemühungen für faire Wärmepreise auch für uns fortfahren.

 

 

Unsere Kritik am Energiekonzept und Wärmesystem / Aktuelle Situation (Stand 23.06.2016) 

  

Im Folgenden stellen wir unsere zentralen Kritikpunkte an der Wärmeversorgung in Gutleutmatten (GLM) dar und was Experten bisher dazu sagen. Als Quellen dienen das Gutachten des unabhängigen Sachverständigen der Stadt, Dr. Peter Schiwek und die Stellungnahme von Dr. Werner Neumann, ehemals Leiter des Referats Energie der Stadt Frankfurt a. M., derzeit Sprecher des AK Energie beim BUND.

 

1. Kosten für die Nutzer

 Die Wärmepreise liegen mit nunmehr von allen Seiten – u. a. Landesumweltministerium Baden-Württemberg – bestätigten mindestens 21,1 cent/kWh etwa beim Doppelten vom Durchschnittspreis für Fernwärme in Deutschland. Die monatlichen Kosten für eine Wohnung entsprechen dabei etwa den Kosten im Altbaubestand und das bei hochgedämmten Neubauten!

  • Dr. Peter Schiwek stellt in seinem Gutachten fest, dass die Kosten über doppelt so hoch wie in einem vergleichbaren Nahwärmegebiet in Freiburg sind. Daraus ergeben sich Mehrkosten von etwa 9,4 Mio € in den ersten 40 Jahren (ohne jährliche Preissteigerung, die in GLM jedoch höher ist). Zusätzlich stuft er das System als kartellrechtlich höchst kritisch ein.
  • Dr. Werner Neumann errechnet allein durch einen Systemvergleich Mehrkosten von etwa 4,8 Mio € in den ersten 40 Jahren gegenüber einem ökologisch besseren System. Aus dieser Rechnung ergeben sich jedoch Mehrkosten für die Nutzer von etwa 8,3 Mio € im selben Zeitraum (aus Vergleich der realen in Gutleutmatten verlangten Preise ohne jährliche Steigerung mit den von Dr. Werner Neumann errechneten monatlichen Kosten inkl. Annuität). Weiterhin stellt er fest: "Es ist fraglich, ob fachlich, juristisch und politisch eine beschlossene vertragliche Bindung zur Nutzung höherer Energiemengen zu spezifisch sehr hohen Preisen Bestand haben kann, wenn relativ einfach ersichtlich ist, dass eine energiesparende und kostengünstigere Alternative nicht verfolgt wurde."

Die Experten kommen also auf sehr ähnliche Ergebnisse beim Vergleich mit Alternativen: Die Bewohner von Gutleutmatten zahlen in den ersten 40 Jahren etwa 9 Mio  mehr als in einem vergleichbaren Nahwärmeversorgungsgebiet in Freiburg und im Vergleich zu einer ökologisch vorteilhafteren Alternative. Ist das der Preis für das Forschungsprojekt, das zur Begründung der unterlassenen Ausschreibung und für die Anschlusszwänge dient? Ist es Aufgabe der Bewohner und Bürger das staatlich geförderte Forschungsprojekt eines Unternehmens zu bezahlen? Zum Vergleich: Die badenova investiert lediglich 0,4 Mio € aus einem eigenen Innovationsfonds in das Projekt – und schlägt auch noch Gewinn aus dem System durch Verkaufserlöse und die Forschungsförderung.

 

2. Innovation

Die Wärmeversorgung wurde als besonders innovativ deklariert und wird als Forschungsprojekt vom Bund mit 1,7 Mio € gefördert. Das Forschungsprojekt dient im Gemeinderatsbeschluss als Begründung für die unterlassene Ausschreibung des Systems und für den Anschlusszwang.

  • Herr Dr. Schiwek gibt in seinem Gutachten an, "dass das nun angedachte Konzept aus heutiger Sicht wohl kaum noch als innovativ bezeichnet werden würde" oder gar in der gegenwärtigen oder zukünftigen Wärmeversorgung eine Rolle spielen kann.
  • Herr Dr. Neumann stellt fest, dass "ein solches Konzept …  auch nichts mit Innovation zu tun (hat), es zeigt, dass keine ausreichende Variantenoptimierung erfolgte." Ebenfalls bezeichnet er es als ein "in sich nicht stimmiges Konzept".
  • Wir stellen fest, dass ein System, das trotz öffentlicher Förderung zu den doppelten Preisen führt in Zukunft keine Nachahmer finden wird und zweifeln zudem den Nutzen für die Stromversorgung an.

Herr Dr. Neumann legt auch einen Hauptgrund für die Unwirtschaftlichkeit des Systems dar: die Solaranlage ist notwendigerweise überdimensioniert, um den Sommerbetrieb voll zu gewährleisten. Gleichzeitig senkt sie die Betriebsstunden des BHKW – sie führt also unter dem Strich sowohl zu einer Verteuerung der Solarwärme als auch zu der des BHKW. Kein Wunder also, dass bisher niemand auf diese innovative Idee kam. Die Rechnung für diese Art der Forschung zahlen die Nutzer, die Allgemeinheit und die öffentliche Hand: Der Verbraucherschutz wird durch das Monopol und den Anschlusszwang vollständig ausgehebelt mit Mehrkosten für die Nutzer von etwa 9 Mio. € in den ersten 40 Betriebsjahren, und zwar in einem Viertel mit 50 % sozialem Wohnungsbau. Der Energieverbrauch des Viertels ist deutlich höher, als er bei etwa halbierten Gesamtkosten (nach Dr. Werner Neumann) sein könnte. Der Bund bezahlt 1,7 Mio. € an Forschungsgeldern, um ein System ohne zukünftige Relevanz zu demonstrieren. Die badenova streicht einen Großteil der Forschungsgelder ein und schöpft gleichzeitig satte Gewinne aus dem System – auf Kosten der Bewohner.

 

3. Ökologie und Auswirkungen auf die Energiewende

Es sei hier festgestellt, dass die angebliche ökologische Qualität des Systems – zumindest auf dem Papier - allein auf dem Einsatz von Biogas und Solarthermie beruht. Die Solarthermie kompensiert allerdings lediglich die Leitungsverluste, die bei zentralen Wärmesystemen entstehen und bei dezentralen Varianten von vorneherein vermieden werden.

  • Dr. Werner Neumann stellt fest, dass der rechnerische Einsatz von Biogas zu sehr hohen CO2- Vermeidungskosten von 150 €/t erfolgt – Geld, das man an anderer Stelle deutlich effektiver für die Energiewende einsetzen könnte. Systeme mit geringerem Energieverbrauch, bei denen ebenfalls Biogas zum Einsatz kommen könnte, weisen jedoch nur etwa die Hälfte der Kosten für die Nutzer auf – beim Vergleich mit diesen lassen sich offensichtlich keine CO2 Vermeidungskosten ermitteln.
  • Dr. Peter Schiwek weist – wie auch schon in einem Vorabgutachten erfolgt - darauf hin, dass das Baugebiet aufgrund der sehr geringen Wärmedichte nicht für ein Nahwärmesystem geeignet ist. Er bezeichnet ebenfalls dezentrale Systeme in Bürgerhand als "optimal".

Ist es etwa die Energiepolitik der Stadt Freiburg, Systeme mit negativen CO2-Vermeidungskosten errichten zu lassen? Wie ist das Freiburger Signal an die Energiewende zu verstehen, dass "ökologische" Systeme unter Anschlusszwang und zu doppelten Preisen realisierbar sind?

Die Stadt argumentiert, dass die monatlichen Kosten vergleichbar sind mit denen in Vierteln mit viel höherem Wärmeverbrauch. Vertritt sie damit die Ansicht, Gebäudedämmung sei wirtschaftlich nicht umzusetzen? Dies widerspricht sogar den Begründungen zu den Freiburger Dämmstandards.

Eine zumindest in sich stimmige Haltung der Politik zur Energiewende im Wärmesektor ist wünschenswert, wenn nicht dringend notwendig, um die Energiewende zu ermöglichen.

 

4. Politische Konsequenzen

Der Gemeinderatsbeschluss, welcher der Vergabe und dem Anschlusszwang zugrunde liegt, fordert in seiner Begründung vergleichbare Kosten zu anderen Nahwärmeversorgungsgebieten und dass die "innovativen Mehrkosten" des Forschungsprojekts durch die Forschungsförderung kompensiert werden. Beide Sachverständige bescheinigen, dass die Mehrkosten des Systems für die Nutzer bei etwa 9 Mio € liegen – sowohl im Vergleich zu anderen Nahwärmegebieten als auch im Vergleich zu anderen Systemen. Da das Forschungsprojekt der alleinige Grund für die vermiedene Ausschreibung darstellt, kann man diese Mehrkosten durchaus als die vom Gemeinderat adressierten "innovativen Mehrkosten" identifizieren. Dagegen werden lediglich 0,2 Mio. € aus der Forschungsförderung in das System investiert. Der Gemeinderatsbeschluss ist somit in keiner Weise umgesetzt – dennoch wird am System und den Anschlusszwängen festgehalten. Wir fragen: Wer überwacht die Freiburger Stadtverwaltung, dass sie politische Vorgaben auch umsetzt?

Mittlerweile beschäftigt das Energiekonzept und Wärmesystem Gutleutmatten auch in einer zweiten Landtagsanfrage eines Abgeordneten die Landespolitik. Bereits die erste Anfrage führte zur ersten Veröffentlichung der jetzt öffentlich bestätigten 21,1 cent/kWh Mindestpreise in Gutleutmatten durch das Landesumweltministerium.

Die Betroffenen hoffen, mit ihrem Bemühen die Stadt Freiburg dabei zu unterstützen, zu ihrer vormaligen Vorreiterrolle in Sachen Energiewende zurückzufinden.

 

5. Aktuelle Situation

Die Stadt Freiburg hat den Dialog mit den Betroffenen einseitig und unbegründet aufgekündigt. Den Gemeinderatsbeschluss nach vergleichbaren Energiepreisen mit anderen Freiburger Versorgungsgebieten sieht die Stadt eingehalten mit dem Verweis darauf, dass die Kosten laut einer Studie angeblich nicht höher lägen als allgemein in Deutschland üblich. Das System soll wie geplant realisiert werden. Dies ist aus all den vorgenannten Gründen nicht akzeptabel.

Die Bewohner des neuen Wohnviertels sind nicht bereit den Preis für die unwirtschaftlichen und unökologischen Fehlplanungen zu tragen und fordern den Gemeinderat und die Stadt auf endlich einmal darüber nachzudenken was in dieser Situation noch getan werden kann. Dr. Werner Neumann hat einige Hinweise dazu gegeben.

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